«Ich bin nach rechts gerückt»

«Ich bin nach rechts gerückt»

Eigentlich wollte sie nie in die aktive Politik, jetzt ist sie Regierungskandidatin: Esther Friedli über ihren kurzfristigen SVP-Beitritt, polternde Parteikollegen und ihre Verbindungen zu Christoph Blocher und Roger Köppel.

ANDRI ROSTETTER/REGULA WEIK

Frau Friedli, in der SVP muss man sich normalerweise hocharbeiten. Sie kandidieren direkt für die Regierung. Ein steiler Einstieg.

Esther Friedli: Das ist immer eine Frage der sich bietenden Möglichkeiten. Mich interessiert die Exekutive. Das Gemeindepräsidium in Ebnat-Kappel ist derzeit mit Christian Spoerlé aber bestens besetzt, es ist also nicht frei. Aber in der St. Galler Regierung gibt es aktuell eine Vakanz.

Bis jetzt haben Sie stets betont, Sie seien froh, nicht aktiv in der Politik zu sein. Jetzt wollen Sie in die Regierung. Woher dieser Gesinnungswandel?

Friedli: In meiner Jugend in Bern war ich mehrere Jahre politisch aktiv. Es trifft zu: Ich sehe mich eher hinter den Kulissen. Ich stehe nicht gern im Mittelpunkt. Seit Sonntag wurde ich von verschiedenen Seiten zu dieser Kandidatur ermuntert. Und nachdem ich die Situation analysiert hatte, war für mich klar: Ich habe nichts zu verlieren.

Was hat den Ausschlag gegeben?

Friedli: Es sind drei Gründe. Erstens hat es nur eine Frau in der St. Galler Regierung. Es wäre angemessen, dass wenigstens eine zweite Frau hinzukommt. Zweitens ist die SVP nach ihrem Erfolg bei den Kantonsratswahlen legitimiert, im Rennen um einen zweiten Sitz mitzumachen. Drittens ist der ländliche Bevölkerungsteil praktisch nicht in der Regierung vertreten.

Darauf hätte die SVP schon früher kommen können.

Friedli: Die Partei hat klar auf das Duo Stefan Kölliker und Herbert Huser gesetzt. Vor dem zweiten Wahlgang hat sich die Ausgangslage nun verändert.

Bei Herbert Huser wusste man, dass er polarisiert.

Friedli: Das haben wir zu spüren bekommen.

War seine Kandidatur ein Fehler?

Friedli: Das Verdikt der Stimmbevölkerung war klar. Das gilt es zu respektieren.

Sie waren Wahlkampfleiterin von Huser. Wer leitet Ihren Wahlkampf?

Friedli: Meinen Wahlkampf leitet Mirco Gerig, der Präsident der SVP Toggenburg. Was mich sehr freut: In den letzten Tagen habe ich unzählige SMS und Mails von Leuten bekommen, die sich für mich engagieren wollen. Das müssen wir in den nächsten Tagen bündeln und organisieren.

Ihr Wahlkampf wird nicht von Toni Brunner, Christoph Blocher und Roger Köppel geleitet?

Friedli: Das sind Phantasien von Journalisten.

Aber Sie können nachvollziehen, dass man bei Ihnen von einem direkten Draht zu Leuten wie Köppel und Blocher ausgeht?

Friedli: Ich bin seit 19 Jahren die Partnerin von Toni Brunner und kenne Roger Köppel und Christoph Blocher gut. Aber diese Personen wirken auf nationaler Ebene, hier geht es um ein kantonales Amt.

Aber auch die nationale SVP hat Interesse an einem weiteren Regierungssitz in St. Gallen.

Friedli: Das kann sein. Und natürlich unterstützt Toni Brunner meine Kandidatur. Aber ich habe ansonsten keine Reaktionen von der schweizerischen Partei.

Nach Ihrem Abgang im Bildungsdepartement sagten Sie, Sie würden «sicher nicht mehr in einer Verwaltung» arbeiten. Jetzt wollen Sie Chefin einer Verwaltung werden. Wirklich glaubwürdig wirkt das nicht.

Friedli: Das ist eine ganz andere Funktion. Als Mitglied der Regierung führt man die Verwaltung und es ist auch mehr eine politische Funktion. Und in dieser Rolle kann ich mich sehr gut vorstellen.

Weshalb interessiert Sie die Regierung stärker als die Legislative?

Friedli: In einem Parlament sind eher laute Töne gefragt. Es geht um Parteipolitik und Wirkung. In der Regierung braucht es Leute, die lösungsorientiert arbeiten. Das entspricht mehr meinem Typ.

In der SVP sind generell eher die lauten Töne gefragt. Fühlen Sie sich in der Partei überhaupt wohl?

Friedli: Ich kenne sehr viele Leute in der SVP, die differenziert und ruhig sind. Natürlich gibt es auch die lauten Exponenten. Aber man muss immer auch die Rollen dieser Personen sehen. In bestimmten Positionen muss man kernige Aussagen machen, um sich Gehör zu verschaffen.

Als Regierungsrätin könnten Sie sich nicht mehr im Hintergrund halten.

Friedli: Das ist mir bewusst. Aber mir geht es auch darum, Stefan Kölliker zu unterstützen. Er ist bis jetzt der einzige SVP-Regierungsrat. Ich würde gerne mit ihm zusammenarbeiten.

Was ist mit den anderen fünf?

Friedli: In einem solchen Amt muss man offen sein für die Zusammenarbeit mit allen. Ausser Bruno Damann kenne ich alle anderen Regierungsmitglieder. Und ich habe als Generalsekretärin des Bildungsdepartements mit allen gut zusammengearbeitet.

Sie wären neben Heidi Hanselmann die zweite Frau. Wie verstehen Sie sich mit ihr?

Friedli: Sehr gut. Wir würden uns gut ergänzen. Ich würde mich gern mit ihr für die Anliegen der Frauen im Kanton einsetzen.

Das tönt nach einem modernen Frauenbild. Ihre Partei setzt sich eher für ein traditionelles Familienmodell ein.

Friedli: Ich finde jedes Familienmodell gut. Ich habe eine hohe Achtung vor Familien, bei denen beispielsweise der Mann sich zu Hause um die Kinder kümmert und die Frau arbeitet. Es muss immer für die einzelne Familie stimmen. Der Staat darf die verschiedenen Familienmodelle nicht gegeneinander ausspielen, er soll alle gleich behandeln.

Sie sind seit Anfang Woche SVP-Mitglied. Weshalb traten Sie der Partei nicht schon früher bei?

Friedli: So lange ich kein politisches Amt wollte, war die Parteimitgliedschaft nie ein Thema. Als ich 2008 nach St. Gallen kam, bin ich in Bern bei der CVP ausgetreten und in St. Gallen nie eingetreten. Gerade als Generalsekretärin im Bildungsdepartement wollte ich unabhängig sein. Deshalb blieb ich parteilos.

Haben Sie noch Sympathien für die CVP?

Friedli: Ja, natürlich. Die CVP hat eine sehr wichtige Rolle in der schweizerischen Politik. Ich habe gerade ein Interview gelesen von Gerhard Pfister. Er sagte zum Beispiel, dass man Flüchtlinge mit einem christlichen Hintergrund in der Schweiz aufnehmen soll. Für solche Dinge habe ich grosse Sympathien.

Das müssen Sie jetzt sagen.

Friedli: Ich bin in der Politik, seit ich 14 Jahre alt bin. Seither bin ich sicher nach rechts gerückt. Meine Politik war aber schon immer klar bürgerlich, das hat sich nicht geändert.

An der Medienkonferenz am Mittwoch sind Sie ausgewichen, als man Sie zu Ihrer Haltung zur Durchsetzungs-Initiative befragte. Warum?

Friedli: Ich habe gespürt, dass man mich in eine Ecke drängen will. Das wird mir nicht gerecht. Zum anderen geht es um ein Exekutivamt. Da ist meine Meinung zu dieser Initiative nicht relevant.

Aber es ist ein wichtiges Thema.

Friedli: Aber es ist ein nationales Thema. Und wir sollten uns auf den Kanton konzentrieren. Der Kanton steht immer noch vor grossen finanziellen Herausforderungen. Auch die Überalterung der Gesellschaft wird uns in den nächsten Jahren stark beschäftigen…

Sie weichen wieder aus. Gerade in der Asylpolitik sind Kanton und Gemeinden stark gefordert.

Friedli: Das stimmt. Aber sie sind vor allem die Vollzieher. Die Leitlinien setzt der Bund.

Welches sind die wichtigsten Werte der SVP?

Friedli: Die Freiheit. Die Freiheit des Einzelnen und der Schweiz. Und die Eigenverantwortung. Der Staat muss optimale Voraussetzungen schaffen, um die Eigenverantwortung zu fördern. Zum Beispiel, indem wir die Jugendlichen gut ausbilden und ihnen das Rüstzeug für ein eigenverantwortliches Leben mitgeben.

Haben Sie politische Vorbilder?

Friedli: Ich habe immer jene Frauen bewundert, die hingestanden sind und gekämpft haben. Zum Beispiel die Zürcher SVP-Regierungsrätin Rita Fuhrer oder CVP-Nationalrätin Josi Meier. Sie haben einen sehr guten Job gemacht. Aber ich habe auch grosse Achtung vor verschiedenen Männern, die sich für dieses Land engagieren.